Auch in einem perfekten Schienenverkehr würden sich Streckensperrungen im Bahnverkehr leider nicht komplett verhindern lassen. Damit die Menschen, die auf die Bahnverbindung angewiesen sind oder sich darauf verlassen haben, trotzdem an ihr Ziel kommen, gibt es den Schienenersatzverkehr (SEV) oder auch Ersatzverkehr (EV). In der Praxis erfolgt dieser meistens in Form eines Busnotverkehrs – und hier fangen die Probleme direkt an.
Hintergrund: Ich beziehe mich hier auf eigene Erlebnisse, vor allem auf der Bahnstrecke Bremerhaven-Bremen, sowie auf Berichte von Arbeitskolleg:innen von anderen Verbindungen in Bremen und Umgebung der letzten Jahre und konkreten aus Juni/Juli 2024.
Bestandsaufnahme
- Kapazitätsprobleme
- Unabhängig von der voraussichtlichen Auslastung oder Erfahrungswerten wird pauschal pro Strecke ein Bus eingesetzt.
- Busse sind zu vorhersehbaren Kernzeiten brechend voll. Mehr als 50 % der Fahrgäste müssen im Bus stehen.
- Nicht alle Fahrgäste können mitfahren oder wollen sich diese Unannehmlichkeiten antun.
- Gesetzesverstöße
- Trotz stehender Fahrgäste fahren die Busse gesetzeswidrig mit über 60 km/h über die Autobahn.
- Reduzierte Taktung
- Obwohl im Regelbetrieb 1-3 Züge stündlich beispielsweise die Strecke Bremerhaven-Bremen bedienen, wird dies im Schienenersatzverkehr auf einen Bus pro Stunde oder teilweise sogar auf einen Bus pro 1,5-2 Stunden reduziert.
- Mangelnde Berücksichtigung lokaler Besonderheiten
- Lokale Besonderheiten, wie großer Andrang durch Schichtwechsel großer Arbeitgeber, werden nicht berücksichtigt.
- Fehlende Informationen
- Es gibt keine Durchsagen der nächsten Haltestelle oder entsprechende Anzeigetafeln im Bus. Besonders zu späteren Uhrzeiten wird das Aussteigen am richtigen Halt zum Glücksspiel: „Entschuldigen Sie, wo sind wir gerade?“
- An den Bussen ist nicht gut sichtbar, wo sie überall halten. Eine klare Kommunikation der Haltestellen fehlt ebenso wie vernünftige oder überhaupt richtige Auskünfte in den entsprechenden Apps.
- Ortsunkundige Busunternehmen
- Da ortsfremde Busunternehmen mit dem Schienenersatzverkehr beauftragt werden, haben die Busse täglich eine An- und Abfahrtzeit von regelmäßig über drei Stunden. Ökologisch ist das nicht.
- Eine der weiteren Folgen ist ortsunkundiges Personal, was zu Umwegen und wilden Haltepunkten führt.
- Mangelnde Fahrplan- und Echtzeitinformationen
- Einmal wird aus dem SEV eine Fahrplanänderung, wodurch die Fahrgäste nicht gewarnt werden, weil der nun geänderte Fahrplan ja eingehalten wird.
- Ein anderes Mal heißt es, ein SEV würde durch Firma XY bereitgestellt ohne weitere Informationen ab wann. In der Praxis bedeutet dieses Wartezeiten von 1-3 Stunden, bis der erste Bus kommt und nicht alle mitnehmen kann.
- Nach spätestens den ersten 2-3 Fahrten hält sich praktisch kein Bus mehr an den „Fahrplan“.
- 2024 und wir haben weder im regulären Bahnverkehr noch im Ersatzverkehr Echtzeitinformationen über den aktuellen Standort.
- Fehlende Reaktion auf Beschwerden
- Jegliche Anfrage zu diesem Thema über den VBN (Verkehrsverbund Bremen/Niedersachsen) der vergangenen Jahre blieb unbeantwortet.
- Auch eine Bitte, mir mitzuteilen, an welche Stelle meine Beschwerde aus Gründen der Zuständigkeit weitergeleitet wird, blieb ohne Antwort.
- Sicherheitspersonal als einzige Verbesserung
- Einzige Verbesserung der letzten Jahre: Die Busse haben nun Sicherheitspersonal, ansonsten beschweren sich die „lästigen“ Fahrgäste noch.
Ein echter Dialog zwischen Bahn und Fahrgast beschreibt den Fehler im System sehr treffend: Fahre ich, weil ich muss und nicht anders kann trotz Unwetterwarnung Bahn, wird mir dieses bei Ausfall der Bahn vorgeworfen. Auf die Gegenfrage, warum dann jetzt erst trotz Unwetterwarnung spontan ein Ersatzverkehr organisiert werden muss, erntet man nur Schweigen. – Finde den Fehler.
Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier auf dem Rücken der Fahrgäste und des Klimas gespart wird.
Forderungen für einen guten SEV
- Angepasste Taktung und Busanzahl:
- Orientierung am realen Fahrgastaufkommen und regulären Zugfahrplan, einschließlich lokaler Besonderheiten, Fahrgastschübe und Kernzeiten. Anwendung von Erfahrungswerten und Anpassungen im Verlauf des SEV bzw. für kommende SEV.
- Einhaltung der Sicherheitsvorschriften:
- Keine stehenden Fahrgäste auf Autobahnen.
- Klare Haltestelleninformationen:
- Anzeigetafeln und Durchsagen im Bus.
- Aktuelle und korrekte Informationen (Haltestellen):
- In Apps, an Haltestellen und an den Bussen selbst (Wo hält dieser Bus?).
- Einsatz lokaler Unternehmen:
- Für Ortskenntnis, kurze Anfahrten und kurzfristige Einsätze.
- Kapazitäten im Verkehrsverbund nutzen:
- Anstatt externer Unternehmen sollten Kapazitäten im Verkehrsverbund genutzt bzw. für den SEV bereitgehalten werden.
- Echtzeitinformationen:
- Bereitstellung von Echtzeitinformationen über den aktuellen Standort der Busse.
- Zeitnahe Antworten auf Beschwerden:
- Schnelle Reaktion auf Beschwerden und Lehren daraus ziehen.
Fazit
Im Sinne des Klimas sollten mehr Menschen vom PKW auf den ÖPNV umsteigen. Aber so wird das nichts. So werden alle Menschen, für die dies eine Option von vielen ist und die es sich leisten können, vom ÖPNV abgeschreckt.
So kann und darf es nicht weitergehen. Ich habe mich diesem Thema angenommen und versuche hier, für Verbesserungen zu sorgen. Meine Bemühungen und eventuelle Fortschritte werde ich hier dokumentieren. Für jede Unterstützung auf dem Weg zu einem guten ÖPNV bin ich sehr dankbar.
Meine Bemühungen
Datum | An | Inhalt | Status |
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14.06.2024 | VBN | – Beschwerde über EV im Bezug auf meine Fahrt vom 04.06.2024 (RS2 Bremen-Bremerhaven) – Frage: Wer ist für den EV zuständig? | Keine Antwort |
22.07.2024 | VBN | Bitte um Antwort und Statusmitteilung (Anfrage 14.06.2024) | |
22.07.2024 | DB Regio | Frage: Wer ist für den EV auf der Strecke Bremerhaven-Bremen zuständig? | |
22.07.2024 | NWB | Frage: Wer ist für den EV Bremerhaven-Bremen zuständig? |